Am 12. Juli 2014 fiel der Startschuss zum 20. Dolomiti Superbike in Niederdorf. Mit am Start war auch er: Florian Jud. Mit uns sprach der Südtiroler damals kurz vor dem Rennen unter anderem über seine Teilnahme am MTB-Rennen und die Vorbereitung.
Im Interview wirft der 27-jährige Olanger, der seit Jahren in Linz lebt, einen Blick zurück auf seine Anfänge als Radsportler. Er spricht über die Faszination des „härtesten Mountainbike-Rennens der Welt“, und erklärt, warum MTB-Fahren die schönste aller Sportarten ist.
Florian, angenommen, Mountainbikes wären nie erfunden worden: Wie würde dein Leben heute aussehen?
Ich würde versuchen, mit einem zweirädrigen Gefährt schmale Wege und Forststraßen zu befahren. Jedenfalls würde ich alles versuchen, um mit Rädern unter den Füßen bergauf- und bergab zu fahren. Beim Spazieren, Laufen oder Wandern ist die Geschwindigkeit und somit der Spaßfaktor eindeutig zu gering.
Wie und wann bist du zum Biken gekommen?
Bereits in meiner Kindheit versuchte ich, an scheinbar unbezwingbaren Hängen mit dem Rad bergauf- und bergab zu fahren. So richtig mit dem Biken habe ich begonnen, als mir mein Vater ein dunkelrotes Stahlbike der Firma „Bachmann“ mit einer „STX-Schaltung“ und gelber „Rock-Shox“ Federgabel kaufte. Dieses wettbewerbsfähige Bike veranlasste mich, an Kinderrennen teilzunehmen. Oft schaffte ich es aufs Podium, gewonnen habe ich aber leider nie, soweit ich mich erinnern kann.
Was macht für dich einen herausragenden MTBer aus?
Ein herausragender Mountainbiker muss viele Facetten aufweisen. Eine ausgeprägte Ausdauer aufgrund von langjährigem und hartem Training ist der Grundstein für einen erfolgreichen Mountainbiker. Dazu kommen mehrere Eigenschaften, um im Mountainbiking erfolgreich zu sein: die Balance am Bike und das Gefühl für den Untergrund, die Bereitschaft zum Risiko in Hinblick auf schnelle Abfahrten, eine ausgeklügelte Taktik für Überholmanöver, etc. Es muss einfach alles stimmen, um vorne mit dabei zu sein.
Hast du Vorbilder?
In meiner Kindheit war der aus dem Antholzertal stammende MTB-Weltcupfahrer Hubert Pallhuber mein Vorbild. Ich war davon fasziniert, mit welcher Geschwindigkeit er über Single-Trails rauschte und wie schnell er wieder am Berg war. Nachwievor bin ich von den Spitzenfahrern begeistert, in welchen Zeiten sie die Rennstrecken bewältigen, insofern sehe ich sie alle als Vorbilder.
Du bist ein ziemlich sportlicher Typ. War das schon immer so?
Nein, in meinem 2. bis 3. Lebensjahr bin ich noch bequem über dem Hinterrad des Mountainbikes meines Vaters gesessen. Nachher habe ich selbst begonnen, zahlreiche Sportarten auszuprobieren. Von Fußball, Schwimmen, Snowboarden, Kraftsport bis hin zum Radfahren.
Wie bereitest du dich auf einen Wettkampf vor? Gibt es Glücksbringer? Quellen der Inspiration?
Der Grundstein für die Vorbereitung liegt bei der Anmeldung für einen Wettkampf. Der Tag des Wettkampfs wird im Kalender dick angestrichen oder besser gesagt, groß am Desktop-Hintergrund platziert. Als ambitionierter Hobbyathlet beginnt meine Vorbereitung im Frühjahr mit flachen Ausdauerfahrten. Etwa drei Monate vor dem Wettkampf versuche ich zunehmend auch Höhenmeter in den Ausfahrten zu absolvieren. Die Inspiration hole ich mir dabei bei der blühenden Landschaft im Frühjahr-Sommer. Die frische Luft und die Natur sind Grund genug, dass ich mich zwei bis vier Mal in der Woche auf das Bike setze, um für die kommenden Wettkämpfe zu trainieren. Einen Glückbringer hatte ich bislang noch nicht mit dabei. Vielleicht sollte ich das mal ausprobieren, damit sich meine Rennplatzierungen noch verbessern.
Wer unterstützt dich?
In meiner Jugend hat mich vor allem mein Vater in der Ausübung des Mountainbike-Sports unterstützt, indem er bei fast jedem Rennen mit dabei war und das Bike renntauglich machte. Heute erfahre ich vor allem von meiner Freundin Sonja Unterstützung, welche meine längeren Trainingsausfahrten toleriert und mir nachher zur Regeneration auch etwas Leckeres kocht.
Der Dolomiti Superbike gilt als eines der härtesten MTB-Rennen. Ist das der eigentliche Reiz? Ist es die spektakuläre Naturkulisse? Was macht diesen Wettkampf so besonders?
Dieses Rennen ist für mich aufgrund vielerlei Aspekte so einzigartig. Auf der einen Seite reizt mich die einzigartige Naturlandschaft der Dolomiten, die einen trotz der Anstrengung im Rennen beflügelt und auf der anderen Seite die große Teilnehmerzahl. Der Reiz, sich bei so harten Anstiegen und schwierigen Abfahren mit zig tausenden Mountainbikern zu messen ist einfach im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend. Dies motiviert mich bereits seit vier Jahren und wird es bestimmt auch noch in Zukunft tun, um an diesem Mega-MTB-Event teilzunehmen.
Eine solche körperliche Anstrengung setzt gewisses Training voraus. Bist du der Typ, der sich strikt an Ernährungs- sowie Trainingspläne hält oder gehst du das Ganze etwas lockerer an?
Die überschüssigen Kilos aufgrund der Weihnachtsfeiertage müssen spätesten am diesjährigen Dolomit-Superbike, den 12. Juli, verschwunden sein. Deshalb versuchte ich in der ersten Vorbereitungsphase im Frühjahr, am Abend, möglichst auf eine kohlenhydratarme Kost zu achten. Dafür zähle ich keine Kalorien oder erstelle auch keinen strikten Ernährungsplan, aber ich versuche auf meinen Körper zu hören. Schließlich kann man dann selbst optisch und in weiterer Folge auch auf der Waage erkennen, ob die Ernährung passt oder nicht. Einen wesentlichen Anteil für den späteren Erfolg- oder Misserfolg im Rennen hat aber auch das Training. Mein Ansatz ist hier primitiv: Im Frühjahr wird so schnell geradelt, dass ich immer das Gefühl habe, als könnte ich noch 10, 20 oder 30 Stunden konstant weiterfahren. Zwei bis drei Monaten vor dem Rennen absolviere ich dann auch schnellere Trainingsintervalle. Ich denke, dass ein schriftlicher Trainings- bzw. Ernährungsplan für einen Hobbysportler nicht zwingend nötig ist, man muss nur ehrlich mit sich selbst sein und ein Gefühl für seinen Körper aufbauen.
Radfahren, Laufen, Fitness - so viel Sport nimmt einige Zeit in Anspruch. Wirkt sich das irgendwie auf das soziale Leben oder die Arbeit aus?
Oftmals fällt es nicht leicht, sich für das Training zu motivieren. Die Unternehmungen mit der Familie und die Treffen mit Freunden dürfen auch nicht auf der Strecke bleiben. Eine Trainingsausfahrt dauert oft länger als drei Stunden. Nach der Trainingseinheit benötigt man auch noch Zeit fürs Essen, vom Zeitanspruch der Körperreinigung abgesehen. Nicht selten ist es so, dass die 1. Jahreshälfte mehr vom Sport eingenommen und die 2. Jahreshälfte für Familie und Freunde genutzt wird.
Radfahrer sind einem erheblichen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Kannst du uns da auch Geschichten erzählen, oder bist du bis jetzt unfallfrei geblieben?
Ja, wie bei allem im Leben gibt es auch Schattenseiten. Auch ich bin vom Verletzungsrisiko als Biker nicht verschont geblieben, aber glücklicherweise hatte ich bis jetzt keine bleibenden Schäden davon getragen. Den schwersten Sturz hatte ich letztes Jahr beim Dolomiti Superbike am Eggerberg, oberhalb von Niederdorf, erfahren müssen. In einer tiefen Furche der Fahrspur am Forstweg bin ich mit meinem Bike ausgerutscht und es kam zum Sturz. Daraus lernte ich schmerzhaft, dass das Windschattenfahren bei Forststraßen mit tiefen Furchen möglichst zu vermeiden ist. Ich konnte das Rennen mit offenen Hautstellen an Oberschenkel und Schulter zwar fortsetzten, aber die Verletzungen bereiteten mir noch bis einem Monat nach dem Rennen Probleme. Der Dolomiti Superbike ist mit seinen schwierigen Passagen und der Vielzahl an Bikern wahrhaftig das härteste MTB-Rennen der Welt.
Dein persönliches Karriere-Highlight, dein schönster Moment als Mountainbiker?
Als ich im Jahr 2011, bei meinem 1. Dolomiti Superbike über die Ziellinie fuhr. Das war einer der schönsten Momente, als ich total ausgepowert das Ziel erreichte.
Und deine größte Niederlage?
Bislang hatte ich zum Glück noch keine Niederlagen zu verzeichnen, da ich in meinen bisherigen MTB Rennen immer die Ziellinie erreichte. Obwohl ich nicht, wie die Profifahrer, um den Sieg mitfahren kann, setzte ich mir Ziele, wie etwa ein zeitliches und bis jetzt habe ich dies auch meist erreicht.
Welche großen Rennen, abgesehen vom Dolomiti Superbike, stehen demnächst an?
Der Dolomiti Superbike ist bei mir definitiv das Highlight der Saison. Dafür habe ich mich heuer bereits mit einem Halb-Ironman Triathlon und einem MTB-Marathon vorbereitet. Das nächste große Rennen, abgesehen vom Dolomiti Superbike, wird wahrscheinlich der „Granitbeisser“ im österreichischen Mühlviertel sein und als Saisonabschluss der Hobbytriathlon „Montigglman“ beim kleinen Montiggler See in Eppan.
Deine Ziele für die laufende Saison?
Das ultimative Wettkampfziel für die laufende Saison ist eine Top-100-Platzierung beim Dolomiti Superbike auf den 56,8 Kilometern. Nachdem mein persönliches Ziel von Jahr zu Jahr höher wird, laufe ich jedoch zunehmend Gefahr, die erste Niederlage zu kassieren.
Gibt es etwas, das du als Mountainbiker unbedingt noch erreichen willst?
Ich möchte weiterhin viel Spaß beim Biken haben und die nächsten Jahre noch tolle Ergebnisse beim Dolomiti Superbike einfahren. Vielleicht geht die Leidenschaft soweit, dass ich auch einmal die 119,9-Kilometer-Strecke bestreite. Der Zenit ist mit meinen 27 Jahren noch nicht erreicht und deshalb ist als Mountainbiker noch vieles möglich.
Genug in die Zukunft geblickt. Was ist dein absoluter Lieblings-Trail und wen würdest du gern mal dorthin mitnehmen?
Als beherzter Mountainbiker habe ich mehrere Lieblings-Trails. Da ist es schwierig, einen absoluten Lieblings-Trail ausfindig zu machen. Als Begleitung würde ich meine Freundin Sonja mitnehmen, die ich in den letzten Jahren auch für das Mountainbiken begeistern konnte. Dabei würden wir von den Sallahöfen aus in den wunderschönen Talkessel von Olang blicken und über den Feldweg, quer durch den Wald, nach Oberolang rauschen.
Du kommst extra wegen dem Dolomiti Superbike in deine alte Heimat zurück. Vermisst du in Österreich nicht auch manchmal die Südtiroler Küche?
Der Dolomiti Superbike und die Südtiroler Küche sind, neben Familie und Freunde, Grund genug, um immer wieder in meine Heimat zu kommen. Erfreulicherweise gibt es in Österreich auch feines Essen, wie etwa verschiedenste Knödelgerichte, das Erdäpfelbratl oder die Linzer Torte. Aber die Südtiroler Küche, als Bindeglied zwischen der österreichischen und italienischen Küche, ist natürlich etwas ganz Besonderes, die ich manchmal schon vermisse. Sobald ich hier in Südtirol bin, besuche ich am liebsten das Restaurant Pizzeria Sonnleiten im Pragsertal, wo es sensationelle südtiroler Gerichte, Pasta und Pizzen gibt. Da ich von den Speisen und der wunderschönen Landschaft ringsum das Lokal so fasziniert bin, haben wir dieses Jahr das Bike-Team „Restaurant Pizzeria Sonnleiten“ gegründet. Mein bayrischer Teamkollege Matthias und ich dürfen beim diesjährigen Dolomiti Superbike in den nagelneu angefertigten Sonnleiten-Bike-Trikots starten. Wer also vor dem Dolomiti Superbike auch hungrig ist und eine feine Portion Kohlenhydrate fürs Rennen benötigt, kann gerne nach Sonnleiten in Prags kommen. Wir jedenfalls sind mit Sicherheit am Vorabend des Superbike dort und holen uns die nötige Inspiration und Energie fürs Rennen.
Kann man mit Mountainbike-Fahren Geld verdienen?
Wenn man hart trainiert und dadurch erfolgreich Rennen absolviert, ist das sicherlich möglich. Mit einem starken Willen, Durchhaltevermögen und Sponsoren kann man es sicher schaffen, dass man mit dem Mountainbike-Fahren Geld verdient.
Kannst du dir vorstellen, deine große Leidenschaft für den Mountainbike-Sport zum Beruf zu machen?
Nein. Ich könnte höchstens als Mountainbike-Guide oder Fahrradmechaniker mein Geld verdienen. Fürs Profidasein als Rennfahrer wäre mehr Training nötig.
Trifft man dich abseits der Rennstrecke am Citybike oder bleibst du deinem Mountainbike treu?
Mit dem Citybike fahre ich so gut wie gar nicht, da ich auch keines besitze. Abseits der MTB-Strecke kann man mich im Frühjahr am Rennrad antreffen.
Wie sieht ein Wochenende ohne Bike aus? Gibt’s die überhaupt?
Ein Wochenende ohne Bike fühlt sich so an, als hätte ich etwas versäumt. Ich muss nicht zwingend Freitag, Samstag und Sonntag für jeweils 3 Stunden am Bike sitzen, aber mindestens ein Tag sollte fürs Biken reserviert sein. Dabei kann ich mich am besten erholen, um für die nächste Arbeitswoche wieder gerüstet zu sein. Wenn das Bike an einem Wochenende nicht dabei ist, dann habe ich die Schwimmbrille, Laufschuhe, Skischuhe, Bergschuhe oder Fußballschuhe an. Bei besonders ungünstigen Bedingungen trage ich am Wochenende auch ab und zu die Hausschuhe. Letzteres stellt jedoch die Ausnahme dar.
Wie viele Räder stehen bei dir in der Garage?
Insgesamt stehen vier Räder in der Garage: Das Mountainbike und Citybike meiner Freundin und das Mountainbike und Rennrad von mir. Aus Platz- und Geldgründen halte ich immer nur ein Bike für die jeweilige Anwendung bereit.
Wieso ist Biken der schönste Sport der Welt?
Weil man mit dem Bike sehr lange Strecken in einer kurzen Zeit absolvieren kann. Man kann die Landschaft von anderen Blickwinkeln aus betrachten, man kann schmale Wege und Forststraßen befahren oder entlegene Aussichtspunkte entdecken. Dies ist bspw. mit dem Auto unmöglich, da dort die Streckenwahl weitaus mehr limitiert ist. Zusätzlich kann man beim Mountainbiken verschiedenste körperliche Eigenschaften wie etwa Balance, Ausdauer, Mut, usw. trainieren.
Und was ist außer Biken das Schönste der Welt?
Meine Freundin. Wenn wir gemeinsam biken, das Wetter schön ist und wir eine selektive Strecke vor uns haben, ist dies das Schönste der Welt.
Florian, letzte Frage: Was muss (zum Biken) noch erfunden werden?
Ein Bike, das sich zu einem kleinen viereckigen Handgepäckskoffer zusammenfalten lässt, um es bequem im Zug, Auto oder Flugzeug zu transportieren. Das zukünftige „Wurfrad“, in Anlehnung an das „Wurf-Zelt“, klappt sich bei einem Wurf in die Luft in Sekundenschnelle auf. Natürlich muss dieses Bike in Sachen Funktionalität, Gewicht und Haltbarkeit einem herkömmlichen Bike gleichwertig sein.
Danke für das Gespräch.
Gerne.
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